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Magazin

​Am 22. März 2014 ist Indiebookday. Und die große Frage ist: Was ist Indie? Was soll das? Und dürfen wir da überhaupt mitmachen?

Aus der Musikindustrie kennt man das romantische Bild der Indiebands, die den sogenannten „Shabby look“ salonfähig gemacht haben, Bands, die scheinbar einen Fick auf alles geben und trotzdem steinreich sind. Arcade Fire und The Postal Service sollen Indie sein. Ja, dann wollen wir das auch! Bloß mit Büchern.

Der Name symbolisiert Unabhängigkeit und deswegen sind wir als Lieblingsempire wohl auch irgendwo „Indie“, weil uns weder ein Medienmogul diktiert, dass unser Autor Christian Ludwig doch mal bitte weniger Schachtelsätze schreiben soll, noch müssen wir irgendwelchen Banken Gewinnbilanzen präsentieren.

Und doch sind wir alles andere als unabhängig: Auch unsere Bücher sollen möglichst viele Leser finden, auch wir müssen Kompromisse in der Gestaltung und Produktion eingehen und auch wir würden uns gern mal eine Fanta zur Belohnung nach getaner Arbeit leisten.

Wenn man ehrlich ist, machen wir nichts anderes als die vermeintlich großen Verlage auch: Christian Ludwig schreibt ein Buch, wir gestalten es, drucken es und versuchen es zu verkaufen. Davor, dazwischen und danach werden Stunden diskutiert, geplant und gemacht. Nur übersteigt bei uns die Auflage nicht annähernd die Tausendermarke – außer in Form von Miese auf dem Konto.

Doch genau diese Unabhängigkeit – sich unabhängig blaue Augen zu holen, Fehldrucke zu fabrizieren, Post vom Kreditinstitut zu bekommen – das ist es uns Wert. Nur daraus können wir lernen, machen Dinge danach besser und können zusehen, wie Wunden verheilen und es sich vielleicht am Ende auszahlt. Und es Belohnungsfanta gibt.

Der Indiebookday ist eine Initiative des Mairisch Verlag, die kleine Verlage und Buchprojekte unterstützt.

www.indiebookday.de

18.03.2014

Einer schnippt mit dem Finger und die anderen vertrauen ihm blind. Scarlett Johansson würde für Woody Allen alles tun und machen, soll sie mal gesagt haben. Schnippt nun Wes Anderson für einen neuen Film, pilgern hingegen gleich dutzende Musen wiederholt an sein Set in die Provinz: Adrien Brody, Willem Dafoe, Jason Schwartzman, Edward Norton, Tilda Swinton, Wallace Wolodarsky, Waris Ahluwalia und allen voran natürlich die Dauergäste Owen Wilson und Bill Murray. Welche noch so kleinen Nebenrollen gerade letztere einnehmen, ist völlig egal. Selbst hinter der Kamera geht das Spiel weiter: Alexandre Desplat (Musik), Milena Canonero (Kostümdesign) oder Robert D. Yeoman (Kamera). Dabei sein ist alles!

Und um das Fazit jetzt schon vorzuziehen: Es fällt schwer, ein Haar in der Suppe zu finden. Kritiker schreiben schon seit Wochen das Internet mit Lobeshymnen voll, ganz Berlin-Mitte stand bei der Berlinale am Ticketschalter Schlange und das verschlafene Görlitz war schon vor dem ersten offiziellen Drehtag sowas von aus dem Häuschen. Alle jubeln, alle klatschen.

Was The Grand Budapest Hotel so liebenswert macht, kann in einem Satz zusammengefasst werden und ist dabei kompliziert zugleich: Der Film hat einfach Charme! Die Geschichte über das heruntergekommene Hotel, seine Lebensgeschichte, die Rahmenerzählung in verschiedenen Kapiteln und Zeitebenen sowie die Anekdoten hinter den Personen sind nett, extrem einfallsreich und lustig – aber unterm Strich fast nebensächlich. Denn was hängen bleibt, sind vielmehr kleine skurrile Szenen, spitzfindige Dialoge und diese Detailverliebtheit, so viele gottverdammte Kleinigkeiten.

Wes Anderson weiß genau, was er am besten kann und hat seinen Inszenierungsstil nun endgültig zum absoluten Alleinstellungsmerkmal gemacht. Keiner sonst lässt Kulissen so stilsicher, Schauspieler so unbeschwert und einzelne Szenen so originell aussehen. Und niemand anderes traut sich heutzutage noch, Filme zu drehen, die sich so „analog“ anfühlen, dass man gelegentlich an die Augsburger Puppenkiste denken muss. Ein Kinderfilm für anspruchsvolle Erwachsene also.

© Geschrieben für Mit Vergnügen

02.03.2014

Es geht um Sex, Leid und Sünde. Um Familie, um das Getriebenwerden und der zutiefst religiösen Frage, was einen guten Menschen ausmacht. Und vor allem: Was einen Schlechten? Und wiederum damit einhergehend als Konsequenz, wie dieser möglichst gerecht – sprich hart – bestraft werden kann. Es klingt wie das bedrückte Fazit des parallel anlaufenden dunklen Seelentrips aus Lars von Triers Nymph()maniac, aber doch handelt es sich um den Film Philomena.

Auf den zweiten Blick sind die Parallelen erstaunlich und doch ist es schade, dass zwischen Berlinaletrubel, dem beginnenden Oscar-Warmlaufen und dem ganzen angeblichen Pornohype um Nymph()maniac Stephen Frears Drama ziemlich untergeht. Klar, es gab vorab keine inszenierten Sexskandale, keinen beleidigten Regisseure (Lars von Trier mit Pressemaulkorb) und postpubertäre Hollywoodstars (Shia LaBeouf mit Tüte überm Kopf) und auch keine ach so obszönen Filmplakate mit Orgasmusfotos. Philomena ist kein Skandalfilm.

Unterm Strich ist das natürlich gut und vor allem wesentlich authentischer, aber doch wird das Problem sehr direkt deutlich: Philomena buttert sich selbst unter. Dass eine Nonne ihrer sexuellen Lust nachgeht und schwanger wird, wäre schon der erste Skandal. Der Zweite, dass ihr das Kind weggenommen, von Irland in die USA zu Pflegeeltern gegeben wird (möglicherweise gegen Geld) und dass die Kirche diese gängige Praxis jahrzehntelang vertuscht, ist wahrscheinlich auch nur die halbe Wahrheit.

Philomena thematisiert all das und portraitiert die Suche der traumatisierten Mutter nach ihrem Sohn, die auch 50 Jahre danach trotz allem ihren Glauben nicht verloren hat. Begleitet wird sie dabei vom launischen Journalisten Martin Sixsmith, der gern seine Überheblichkeit mit britischem Humor untermalt. Aber genau in diesem Punkt liegt wiederum die eigentliche Stärke des Films: Bei aller Schwere der Thematik bleibt der Film stets menschlich, driftet nie in Religionstheorien ab und wird durch die kleinen Gesten und bissigen Kommentare der beiden Hauptakteure so zugänglich und ehrlich. Die Geschichte beruht ja auch auf einer wahren Begebenheit.

© Geschrieben für Mit Vergnügen

23.02.2014

Licht ist eine Quelle und ein Element der Kunst. Licht macht Kunst sichtbar. Aber Licht kann selbst auch Kunst sein bzw. Kunstwerk werden – vor allem, wenn es sich um „gewebtes Licht“, um Lichtstrukturen handelt, die dreidimensionale Räume und Gebilde schaffen. Durch punktförmige Beleuchtung (z.B. durch LEDs) eines speziellen Gewebes entstehen Lichtlinien, die sich in die Tiefe des Raumes ausbreiten und so leuchtende Körper bzw. Objekte erzeugen.

„Orgament“ ist eine interaktive Lichtskulptur, dessen organisierte Struktur nach Raum verlangt. Durch die Bewegungen des Faltwerks werden die Eigenschaften des lichtleitenden Gewebes hervorgehoben. Das Orgament wird zum Leben erweckt sobald sich ein Besucher davor befindet. Die Bewegungen eines Betrachters werden wahrgenommen und führen zu einer Verformung des Ornaments. Das interdisziplinäre Projekt umfasst die Bereiche Architektur, Design, Informatik und Mechatronik.

Ines Klaue (Architektur), Caspar Hüter (Architektur) und Bert Löschner (Produktdesign) sind Studierende des Aufbaustudiengang Kunst und öffentlicher Raum (Klasse Simone Decker). Ein erfolgreich abgeschlossenes Studium an einer Kunsthochschule oder ein künstlerisches Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule ist hierfür Zulassungsvoraussetzung. Der Studiengang befasst sich mit der Konzeption und Umsetzung von freien künstlerischen Projekten, die sich mit Raum in all seinen Facetten, Ausdehnungen und Einschränkungen auseinandersetzen.

Aufgrund des Komplexitätsgrades dieses Projektes wurden Spezialisten für die Bereiche Mechatronik (Benjamin Neumann und Falco Hoche), sowie Informatik (Benjamin Bartosch) hinzugezogen.

Die Ausstellung „Gewebtes Licht“ fand vom 02. bis 16. Juli 2011 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) statt.

www.gewebtes-licht.de

06.02.2014

Winter im Berliner Randgebiet. Autor Christian Ludwig und Fotografin Julia Fischer machen mit einem Koffer, einer Holzleiter und alten Seiten einen sonnigen Ausflug. Heraus kam diese kleine Fotoserie und kalte Füße.

03.02.2014

Da war das Jahr noch ganz jungfräulich, da outete sich Thomas Hitzlsperger als erster Ex-Profifussballer als homosexuell. Ein nationaler Skandal! In Deutschland! Im Jahr 2013! Und man hätte ihm doch gar nichts angemerkt und man werde ihn bei allem unterstützen, so die Offiziellen! Schwulsein ist scheinbar hier und heute immer noch eine Krankheit, die per Handschlag weitergegeben werden kann. Doppelt erschreckend, wenn man im – um es vorwegzunehmen: ziemlich guten – Dallas Buyers Club sieht, dass selbst die Leute im Jahr 1985 teilweise schon aufgeklärter im Kopf waren. In Texas! Im George W. Bush-Staat! Hallo!

Aber ein paar Idioten muss es ja immer geben, wir haben dafür heute noch Jens Lehmann („Fußball ist eine Männersache!“), in den USA gab es damals die – Entschuldigung vorab! – Rednecks. Und genau solche waren Ron Woodroof und seine Kollegen auch: einfache Arbeiterklasse, Rodeofans, Cowboyhut & Stiefel, alle Trinker und voller Drogen, Denken von Wand bis Tapete, selbsternannte Machos und in erster Linie homophobe Arschlöcher. Plötzlich erhält er dann die schockierende Diagnose: AIDS, die “Arschfickerkrankheit”. Ab diesem Moment war Woodroof bei seinen „Freunden“ nur noch die aussätzige Schwuchtel. Unterstützung gab es keine, Handschläge sowieso nicht.

Doch einen Woodroof bringt nichts binnen von 30 Tagen ins Grab, so der trotzige “Fuck you”-Mittelfinger an die Krankheit, sein komplettes Umfeld, an geldgeile Ärzte und die verlogene Pharmaindustrie gleich mit. Er kämpft wie ein zäher Hund, pendelt mehrmalig zwischen Tod und kurzzeitigen Selbstmordgedanken – und lernt den transexuellen Rayon (Bitte einen Nebendarsteller-Oscar für Jared Leto!) kennen. Gemeinsam bauen sie ein Geschäft mit aus Mexiko eingeschmuggelten Medikamenten auf, die in den USA von der FDA nicht zugelassen werden. AIDS-Kranke stehen Schlange, die Dollarscheine rollen.

Es ist eine nüchterne Welt, die Regisseuer Jean-Marc Vallée zeichnet: AIDS als Wirtschaftszweig zu Lasten der Erkrankten, ein vollends gespaltener Rayon, der sein Junkiesein nie überwindet und ein Woodroof, dem es gesundheitlich besser geht, zunehmend seine menschliche Seite entdeckt, aber nie seinen schroffen Kern verliert. Dazu ein texanisch-trockener Schnitt der Bilder und ein exzellenter Matthew McConaughey, der seiner Figur viel Raum für Improvisation sowie Ecken und Kanten gibt.

Dallas Buyers Club ist die kämpferische Biografie von Ron Woodroof, der aus seinen 30 Tagen bis zu seinem Tod im Jahr 1992 fast 3.000 macht, ohne dabei sich und seine Rodeowurzeln aufzugeben. Gleichzeitig ist es aber auch eine subtile Abrechnung mit den Praktiken der Pharmalobby, ein stilles Plädoyer für die Aufhebung von Geschlechterrollen und vor allem ein Ansporn zu zivilem Ungehorsam: Fuck you, Pillenindustrie! Fuck you, Homophobie! Fuck you, Jens Lehmann! Mittelfinger hoch!

© Geschrieben für Mit Vergnügen

30.01.2014

Drei Dinge haben Thomas Roth, Sprecher der ARD Tagesthemen, und der nun wiederkehrende Ron Burgundy gemeinsam: den Job vor der Kamera, den viel diskutierten Schnauzer und die Klatschpresse. Was wurde über Herrn Roth nicht alles geschrieben, als er Tom Buhrow im Sommer 2013 als Moderator ersetzte: Er würde unverständlich nuscheln, er sei bei der Farbwahl seiner Zähne „wohl von Naddel beraten wurden“ und man müsse Angst haben, seine Kronen würden gleich rausfallen. Natürlich fiel all das sofort auf und man hatte zwangsläufig hämische Gedanken, aber nichtsdestotrotz macht der Mann seinen Job gut.

Beim Anchorman Ron Burgundy ist es genau andersrum: Schnauzer, Frisur und Zähne sitzen tadellos. Das war’s dann aber auch schon. Der Rest des Teams sind Dilettanten, der Informationsgehalt seiner Nachrichten liegt bei knapp um den Nullpunkt und die Karriereleiter stagniert mittlerweile auch. Dann wird Ron gefeuert, seine Frau entschied sich zusätzlich gegen die Ehe und für den Job und somit nimmt das Drama seinen Lauf.

Die Beschreibung Drama kann hierbei getrost auch mehrdeutig verstanden werden. Natürlich durchleben Ron und sei Kollegen „dramatische“ Zeiten, um dann beim neuen Sender GNN wieder dick ins Geschäft einzusteigen, aber vor allem wird es beim Zusehen von Minute zu Minute auch mühseliger – um es vornehm auszudrücken! Auf eine dünne Handlung, alberne Situationskomik und eine pathetische Erzählweise war man ja schon nach Teil eins eingestellt, mehr erwartet man von gutem US-Popcornkino auch nicht. Und auch Haudraufhumor, sexistische und rassistische Witze auf Kirmesniveau sind ab und an ganz erheiternd, aber dann das …

Noch mehr als ohnehin schon wurden im Sequel die Gags einzig um die Hauptdarsteller Will Ferrell & Steve Carell geschrieben, dabei hätten die Charakter von Sportmoderator Champ Kind und Schnösel Jack Lime das weitaus größere sarkastische Potential. Aber weg mit versteckt-bissiger Kritik an Boulevardmedien oder dem Auf-die-Schippe-nehmen amerikanischer Klischees, die Zielgruppenanalyse des Verleihs Paramount Pictures hat wohl ergeben, dass dies wohl das Hangover-Publikum überfordern würde.

Was nun bleibt, ist die Entthronisierung eines kleinen Achtungerfolgs von damals. Anchorman 2 ist eine schnöde Kopie, die versucht dem Kultstatuts des ersten Teils (Warum eigentlich?) mit üblichen Mittel der Einfallslosigkeit nachzueifern: Produktionskosten hoch, Witzniveau dafür runter. Und noch mehr Stars! So dürfen in einer völlig sinnfreien Endszene Jim Carrey, John C. Reilly, Vince Vaughn, Liam Neeson und Will Smith nochmal kurz ihr Gesicht in die Kamera halten. Also echt mal, was soll denn das? Dann lieber die Zähne von Thomas Roth!

© Geschrieben für Mit Vergnügen

23.01.2014

Jordan Belfort kann das, was wir uns alle so sehr wünschen: aus Scheiße Geld machen! Dummerweise musste er dafür zwar 22 Monate im Knast absitzen, ist nur knapp das ein oder andere Mal dem Drogentod entkommen und hat seine millionenschwere Yacht im Mittelmeer versenkt. Aber hey, so läuft’s nun mal im Rockgeschäft. Belforts Kapelle hieß Stratton Oakmont und die spielte Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre die wichtigste Geige auf der größten Bühne der Welt: der Wall Street. Er und seine geldgeilen Jungs wollten wilde Punks in Anzügen sein, die Champagner und Martini wie Sternburger tranken, koksten, crackten, dealten, vögelten und tausende Dollarnoten FBI-Ermittlern als Spaßgutscheine hinterher schmissen. Ja, sie wollten doch nur reich sein, leben und ein bisschen spielen. Soweit so spaßig das Ganze und auch die verdrogte Selbstwahrnehmung als die Robin Hoods des Brokergeschäfts wäre noch halbwegs verständlich gewesen, wäre das ganze System nicht nur ein Haufen Wertpapierschrott. Es ging ausschließlich um Habgier und Abzocke. Und um Geld, Geld, Geld und Geld. Und Nutten.

Genau an diesem Punkt setzt nun auch Martin Scorseses Verfilmung von Jordan Belforts Biografie an. Der Film versucht erst gar nicht wirklich detailgetreu zu sein, weil es auch egal ist, ob nun drei oder zwanzig Pillen geschmissen wurden oder ob die Yacht 40 oder 45 Meter lang war, ob das Haus 15 oder 20 Millionen gekostet hat. Wen juckt’s? Auch geht es nicht darum, die böse Wall Street, die bösen Aktienhändler und die böse Weltwirtschaft ökonomisch oder sozialkritisch zu hinterfragen, nein. Es geht auch nicht wirklich um Freundschaft oder Familie, was zwar im Film tragende Säulen sind, aber im Grunde geht es dort ja auch nur um Drogen und Sex. Und Geld. Zwischenzeitlich denkt man, das Hauptziel wäre einfach nur eine Spaßdokumentation über das Leben an der Wall Street, was auch am Logischsten erscheint, wenn selbst im Gefängnis (oder gerade dort) jeder bestechlich ist. Erfährt man zum Schluss noch, dass Jordan Belfort bis heute kaum einen der 200 Millionen US-$ Dollar an seine betrogenen Anleger zurückgezahlt hat, darf sich der Wolf der Wall Street am Ende sogar wirklich als Sieger fühlen.

Und vielleicht ist genau dass das Ziel von Martin Scorsese: im zigsten Wall-Street-Film (Vergleich zu Oliver Stones ”Wall Street” von 1987 und 2010) zu zeigen, dass dort auch heute noch wilde Orgien aus Macht, Geld und Sex gefeiert werden, bei der manche Broker und Manager vor Lachen und dickem Port­mo­nee nicht einschlafen können und man sich am Ende mit Insiderinformationen bei der richtigen Behörde und ein paar Scheinen beim Staatsanwalt freikaufen kann. Es wäre eine sehr ernüchternde Botschaft, die vor lauter bunten Partybildern, vor lauter sympathischer Großkotzerei der Charaktere (Vergleich zu Mark Zuckerberg in David Finchers „The Social Network“) und völliger kurzweiliger Ekstase schnell übersehen werden kann. Was ebenso dafür spricht: Belforts Ramschfirma Stratton Oakmont wurde im Jahr 1998 von der Börsenaufsicht SEC geschlossen – also weit vor dem nächsten Schnellballsystem der Krise von 2008. Das Geld dreht sich also immer weiter, vielleicht sogar noch schneller, die nächste Blase kommt. Die Show geht weiter. Und Leonardo DiCaprio wird auch immer besser.

© Geschrieben für Mit Vergnügen

13.01.2014

„Ich hätte dem Nebel trauen sollen, dem Sturm Glauben schenken und meiner Skepsis Rechnung tragen. Ich hätte überdenken müssen, was einem Umweg, einer Sackgasse, offensichtlich am nächsten erschien. Ich hätte abwarten können, Fragen stellen und das abwenden, was sich nun als das offene Ende liest. Ich war es, der es kommen sah und zum Sehen kam. Jetzt ist nichts außer Dunkelheit, schöne Dunkelheit in Grau und staubigen Partikeln.“

Autor: Christian Ludwig
Text: aus „Dieser Raum befindet sich im Aufbau“ (2012)
Verlag: Lieblingsempire
Video: Julia Fischer
Musik: Sophie Green & Tom Morris – This room is under construction (2012)

24.12.2013

„Die Ankunft war sein Ziel, der Wald nur gebilligter Schauplatz des Ganzen. Die Hütte tat sich vor ihm auf wie eine rettende Festung. Vorerst. Dann schien sie ihm wie verändert, als hätte jemand die teure Beleuchtung ausgelassen oder das im Geist eingemeiselte Bild vergessen zu Ende zu malen. So mehr er sich ihr näherte, umso mehr nahm seine Euphorie ab. Er ging nicht durch das Tor, auch nicht über den Zaun, sondern nahm den kaum sichtbaren Hintereingang, der direkt hinter einer gewaltigen Eiche stand. Das Rennen hatte aufgehört. Er war da, die Hoffnung jedoch weit weg.“

Autor: Christian Ludwig
Text: aus „Sendawoy“ (2011)
Verlag: Lieblingsempire
Video: Julia Fischer
Musik: T E Morris – Water (aus „We were animals“, 2012)

01.12.2013