An Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) scheiden sich die Geister. Einerseits ist er ein Gewinner, wie es der amerikanische Traum so will: Er hat sich vom Kleinganoven mit einer Idee und Einsatz nach ganz oben durchgeboxt; er hat eine schnelle Auffassungsgabe, lernt die Regeln des Geschäfts und kann Leute von sich überzeugen. Aber er geht dafür auch buchstäblich über Leichen, ist ein schmierig gegeltes Phrasenschwein und seine sozialen Kompetenzen liegen bei null. Beides zieht gleichermaßen in den Bann und stößt ab. Lou Bloom ist Dreh- und Angelpunkt des Films, ein zwiespältiger Antiheld.
Sein Geschäft ist dabei denkbar einfach: Egal, ob Autounfall mit Todesfolge, Einbruch mit Mord oder eine Verfolgungsjagd, die bestenfalls auch tödlich endet – Lou Bloom muss als erster vor Ort sein und möglichst nah mit der Kamera auf das Opfer draufhalten. Grenzen, Tabus, ethische Fragen oder Gesetze, Abmachungen und Freundschaft – drauf geschissen! Er muss der Erste sein, nur das bringt Bares. Oder wie Lou Bloom es mehrfach schön auswendig gelernt auf den Punkt bringt: „You have to buy a ticket to win the lottery!“
Natürlich ist Dan Gilroys Regiedebüt perverses Kino, bei dem es nicht um Opfer oder große Gefühle geht. „Nightcrawler“ ist ein unterkühlter Film, der oft befremdlich wirkt und bei man als Zuschauer regelmäßig denkt: „Scheiße, nein! Das macht der jetzt nicht wirklich?! … Nein, das hat er grad nicht gesagt! Was für ein Arschloch!“ Gepaart mit dem oft psychopathischen Blick Jake Gyllenhaals wirken viele Szene fast absurd und grotesk, so dass man unfreiwillig schmunzeln muss. Und doch: „Nightcrawler“ hält uns als gutgelaunte Konsumenten von Sensations- und Katastrophennachrichten den Spiegel vor das Gesicht. Nicht selten beschleicht einen das Gefühlt, dass Dan Gilroy uns einfach nur wachrütteln will: “Seht her, so läuft das Geschäft! Ihr wollt den kranken Scheiß doch täglich auf allen Bildschirmen sehen.”
Ob sich das aber jemals ändern wird?
© Geschrieben für Mit Vergnügen, Foto von Concorde Filmverleih