Die Comic-Szene soll mal einer verstehen! Einerseits wurden über Jahrzehnte Antihelden aufgebaut, Magazine für Nerds gezeichnet und Heldengeschichten von und für Außenseiter entwickelt. Zwar wurden dafür bereits in den ersten Hochzeiten der 30er und 40er Jahre Millionen kassiert, aber was seit zehn Jahren speziell bei Marvel Enterprises und DC Entertainment abgeht, ist einfach nur verrückt. Pro Jahr erscheinen jeweils mindestens vier neue Comic-Verfilmungen, davon zwei Fortsetzungen sowie zwei wilde Ableger mit Superhelden in diversen Konstellationen, dazu jeweils noch Computerspiele, Merchandise-Artikel und sonstige Rechtevermarktung. Ein Multimilliardengeschäft!
Noch erschreckender dabei: Geschichten und Figuren bleiben völlig auf der Strecke, Charaktere werden nicht mehr aufgebaut, sondern nur noch neu verwurstet und alle Filme sind eine Mischung aus langweilig, vorhersehbar und vollkommen überflüssig. Batman, Superman, Hulk und Spiderman sind nur noch gewöhnliche Superstars, die alljährlich die Kassen vollspülen müssen.
Wenn man so will, sind Frank Miller und Robert Rodriguez mit ihrer “Sin City”-Reihe die Retter der Comic-Verfilmungen. Natürlich war der erste Teil im Jahr 2005 auch ein kapitalistischer Erfolg, aber die Herangehensweise bei “Sin City 2: A Dame To Kill For” eine andere: Der Fokus liegt weniger auf den zahlreich vorhandenen Stars und dem FSK-18-Sexappeal, sondern klar auf der Handlung. Zwar ist diese weniger ausgereift und diffuser als beim Vorgänger, aber die optische Umsetzung ist und bleibt abermals ein Meisterwerk.
Allein die Anzahl an guten Schnitten und interessanten Kameraeinstellungen haben Marvel & Co. in den letzten 20 Filmen nicht ansatzweise hinbekommen und von der generell einzigartigen Machart braucht man gar nicht erst reden. “Sin City 2: A Dame to Kill For” ist eine logische Fortsetzung, die dem wahren Charakter von Comics, der Einzigartigkeit aus Illustrationen, Sprech- und Denkblasen und sequenziellen Bilderfolgen so gerecht wird, wie es bisher keine andere Filmreihe geschafft hat. Ebenso ist es eine offensichtliche Hommage an die goldenen Anfänge des Comiczeichnens, eine Verneigung vor skurrilen Typen zwischen Sex und Kriminalität und eine Ehrung des dunklen Film Noir. Antihelden für Nerds sozusagen.
© Geschrieben für Mit Vergnügen, Foto von Dimension Films